Morgan - Organized (2000)
Wohl immer noch ein Geheimtipp, aber In Bensheim und Umgebung hat diese Scheibe dank mir (dem Bescheidenen!) eine recht weite Verbreitung erfahren. Morgan (Nicholls) war Bassist der Senseless Things, einer eher durchschnittlichen Indie/Punk-Kapelle, die in England ein paar kleinere Hits hatte, bevor sie sich auflöste. Sein Vater Billy Nicholls, der hier einige Sogs (mit)komponiert hat und auch singt, hatte in de späten 60ern seine ersten Platten veröffentlicht und hielt sich im Dunstkreis der Who und der Small Faces auf, ohne je größer aufzufallen. Immerhin ist seine 1968er Scheibe "Would you belieeve" eine im Original zu Höchstpreisen gehandelte Platte und er schaffte es auch in den 70ern immer wieder mal als Songwriter Credits bei Pete Townshend, Roger Daltrey und auch Leo Sayer zu erhalten und kaufte irgendwann eine Hammondorgel von Pete Townshend.
Und genau diese Orgel ist das zentrale Instrument auf dieser superkalifragilistisch-expiallegorischen Platte. Beim ersten Titel "Flying High" ist sie noch eher dezent im Hintergrund dieses locker flockigen "Dreaming bout my summer holiday"-Stücks, beim groovenden Rocker "Something he said" dann schon etwas präsenter, wird sie noch von einer Gitarrenübermacht im Schach gehalten. Erst beim entspannten und dubmäßig verhallten von Schwester Amy Nicholls gesungenen "Sitting in the Sun" tritt die Orgel erstmals in den Vordergrund um dann bei "When I close my Eyes" zu einem fetten funky Bass endgültig das Kommando zu übernehmen. In der Mitte dieses Titels ist dann auch einer meiner absoluten Höhepunkte der Musikgeschichte zu hören, wenn die Orgel zu Congabeats und perkussiven Klavierakkorden ganz langsam anschwillt, ein leicht verzögerter Beat auf einer Tom mehrfach die Spannung erhöht, die sich dann bei 2:43 in einem fett verzerrten und mit Echo versehenen Gitarrenaufschrei entlädt. Dieser kurze Passage ist für mich definitiv einer der größten musikalischen Momente, den ich bisher kenne, alleine deshalb hätte ich die Platte kaufen müssen, selbst wenn der Rest nur Murks gewesen wäre
Dabei muss ich ja gestehen, dass ich mir die Platte zwar bereits kurz nach der Veröffentlichung 2000 zugelegt habe, aber eigentlich nur, weil sie niemand anders in der Musikgarage kaufen wollte. Wer weiß ob ich sie jemals nochmal in die Hände bekommen hätte, wenn irgend ein Nerd sie damals in meinem Laden entdeckt und gekauft hätte?! Aber das Leben ist einfach das beste von allen möglichen und so landete sie in meinem CD-Regal, wobei ich damals die Qualität dieser Scheibe absolut noch nicht erkannte; erst Jahre später, eher zufällig legte ich die CD mal wieder ein und begann daraufhin allen möglichen Leuten davon vorzuschwärmen, so dass ich bis heute immer hin zwei Dutzend davon in Bensheim und Umgebung unter's Volk gebracht habe.
Die fast schon psychedelischen mit Streichern angereichterten Jams "Soul Searching Pt 1 & 2", das sich im gleichen Stil anschließende "Here comes the Rain", der mit bratzigen Heavy-Gitarren versetzte funky Titeltrack, der kurz von an Airs "Moon Safari" Melodiosität unterbrochen wird, der kleine UK-Hit "Miss Parker", das wunderbar psychedelisch käsige "At the Flamingo" mit einer Tom Jones-Einleitung, bei dem ich mit geschlossenen Augen immer an "The Big Lebowski" denken muss, weil es mit dem lässigen Groove und den stark verlangsamt abgespielten Stimmen wie ein fünfminütiger Rausch wirkt, das fast strukturlose, leicht durchgedrehte "Fistful of love" und der geradezu unspektakulär gewöhnliche Popsong "Heaven come quickly" (ein Song von Vater Billy, dessen Ursprung irgendwie nicht zu eruieren ist; er ist bereits 1981 auf einem Album einer Band namens Life um den ehemaligen Clapton-Mitmusiker George Terry zu finden und wurde von Billy Nicholls selbst wohl nur auf Samplern veröffentlicht), der in seiner Entspanntheit einen großartigen Abschluss dieser Scheibe bildet, ergeben insgesamt dann das, was ich immer wieder zur besten Platte aller Zeiten erkläre.
Und ja, das ist nur meine unmaßgebliche Meinung, aber "Organized" ist auf jeden Fall in meinen Augen eine perfekte Scheibe ohne Ausfälle, dafür aber mit zahllosen großartigen musikalischen Momenten und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass sie trotz ihrer späten Entdeckung (immerhin habe ich zu dem Zeitpunkt ihres Erscheinens schon ca 25 Jahre intensiv Musik gehört) zu meinen meistgehörten Platten gehört. Der fette Hammond-Sound, die vielen mehrstimmgen Gesangsarrangements, bei denen auch Vater Billy mitwirkt, die vielseitige, weitgehend von Morgan Nicholls selbst eingespielte Musik mit HipHop-, Dub- und Funk-Elementen bis zum psychedelich angehauchten Easy-Listening-Sound, das alles macht die Platte zu einem sträflich übersehenen Meisterwerk. Und dabei ist die Platte sogar noch eine absolut sommertaugliche Gute-Laune-Platte bei dessen Schlußtitel sogar Pete Townshend persönlich Bass spielt.
Leider war die Platte weitgehend ein Flop und ist heute gestrichen. Morgan Nicholls verdient sein Geld inzwischen als Tourbassist bei Bands wie den Streets, den Gorillaz und auch Muse und ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass er doch noch mal so einen Knaller veröffentlich wie diese Platte. Tracklisting mit Youtube-Indizes: (Einfach bei Youtube in die Suche eingeben!)
"Flying High"
"Something He Said"
"Sitting in the Sun"
"When I Close My Eyes" 0WRhwINb83Y
"Paparazzi"
"Soul Searching Part 1"
"Soul Searching Part 2"
"Here Comes the Rain"
"Organized" 0z_KMrwDui4
"Miss Parker" (Morgan Original Long Version
"At the Flamingo Hotel"
"Fistful of Love"
"Heaven Come Quickly"
Alle weiteren Titel sind bei Youtube für Deutschland nicht freigegeben, aber man findet das Album auch noch auf Spotify.
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